In vielen Teilen der Welt wachsen Kinder in mehrsprachigen Umgebungen auf. Die Forschung zur sprachlichen Entwicklung bilingualer Kinder hat bereits gezeigt, dass die Menge und Verteilung des Sprachinputs einen erheblichen Einfluss auf ihre Sprachentwicklung hat – insbesondere auf Wortschatz und Grammatik. Allerdings stammen die meisten dieser Studien aus westlichen, wirtschaftlich privilegierten Gesellschaften („WEIRD“-Kontexten, also Western, Educated, Industrialized, Rich, and Democratic), sodass es an Erkenntnissen über mehrsprachiges Aufwachsen in weniger wohlhabenden, nicht-westlichen Kontexten mangelt.
Gerade in Regionen wie Subsahara-Afrika ist Mehrsprachigkeit weit verbreitet. In Ghana beispielsweise wachsen viele Kinder in mehrsprachigen, multi-generationalen und multi-familialen Haushalten auf, wo sie täglich mit einer Vielzahl von Sprachen in Kontakt kommen. Neben den Eltern übernehmen häufig auch Großeltern, Verwandte oder Nachbar:innen die Betreuung, was die sprachliche Vielfalt weiter erhöht. Solche Konstellationen bieten eine besonders interessante Perspektive darauf, wie stabile, kulturell eingebettete Mehrsprachigkeit die sprachliche Umgebung von Säuglingen prägt.
Die aktuelle Studie von Paul Okyere Omane, Titia Benders und Natalie Boll-Avetisyan mit dem Titel "Exploring the nature of multilingual input to infants in multiple caregiver families in an African city: The case of Accra (Ghana)" untersucht die sprachliche Umgebung von 3- bis 12-monatigen Säuglingen in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Die Untersuchung erfasst die Sprachumgebung mit zwei methodischen Ansätzen: einem strukturierten Interview mit Betreuungspersonen zur allgemeinen Sprachverwendung im Alltag und einem detaillierten Logbuch, in dem die Bezugspersonen die Sprachumgebung eines ganzen Tages dokumentierten.
Die Ergebnisse zeigen, dass alle untersuchten Kinder mindestens zweisprachig aufwachsen und täglich mit zwei bis sechs Sprachen in Kontakt kommen.
Neben der Quantität des Inputs ist auch die Unterscheidung zwischen direktem (kindgerichtetem) und indirektem Input (z. B. Gespräche zwischen Erwachsenen in Gegenwart des Kindes) entscheidend. In verschiedenen kulturellen Kontexten variiert das Verhältnis dieser Inputarten stark. Während in westlichen, monolingual geprägten Familien direkter Input dominiert, zeigt sich in vielen nicht-westlichen Gemeinschaften, dass Kinder auch durch umfangreichen indirekten Input effektiv Sprachen erwerben.
Auffällig ist, dass Ghanaian English häufiger in indirektem Input vorkommt (z. B. durch Gespräche zwischen Erwachsenen), während Sprachen wie Akan, Ewe oder Ga sowohl direkt als auch indirekt in ähnlichem Umfang verwendet werden. Die Anzahl der gehörten Sprachen und Bezugspersonen zeigte sich unabhängig vom Alter der Kinder.
Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie stark die sprachliche Sozialisation in multilingualen Gesellschaften von sozialen und kulturellen Faktoren geprägt ist. Zugleich unterstreicht die Studie die Bedeutung von Forschung in nicht-westlichen und weniger ökonomisch privilegierten Kontexten, um ein umfassenderes Verständnis frühkindlicher Sprachentwicklung in mehrsprachigen Kontexten weltweit zu erlangen.